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Interview mit Stephan Echtermeyer

Interview der Mitarbeiter mit Ihrem Chef Stefan Echtermeyer:

MA: Wie bist du auf die Idee gekommen, deine neue Praxis „Sprachpuzzle“ zu nennen?

Stephan Echtermeyer:
…Als ich mich damit befasste, das Internet als Informationsplattform zu nutzen, brauchte ich natürlich einen einprägsamen Namen als Internetadresse. Ich unterhielt mich mit meinem Freund Paul (im Übrigen der Hauptverantwortliche für diese Seite) am Telefon über die Möglichkeiten der Namensgebung.
Er stellte mir einige, zunächst abwegig erscheinende Fragen. z.B.
„Was tust du als erstes, wenn ein neues Kind in deine Praxis kommt?“,
ich antwortete:
„Ich begrüße meist zuerst das Kind und sage: „Hallo, ich bin der Stephan… .“ Danach begrüsse ich die Eltern und stelle mich mit meinem Nachnamen vor.“
Paul fragte: „…und dann…?“
Ich erwiderte: „dann gehe ich mit beiden in den Behandlungsraum, gebe den Kindern die Möglichkeit etwas frei zu spielen und mache mit den Eltern ein Interview über die vorangegangene Entwicklung.“
Paul fragte weiter: „…und dann…?“
und ich erwiderte: „Dann mache ich mit den Kindern ein Spiel, um mir einen Eindruck über ihren Lautbestand und ihre sprachlichen Fähigkeiten zu machen.“
„Was für ein Spiel?“,fragte Paul
und ich entgegnete: „…so eine Art Puzzle!“
…Bis dahin war mir immer noch nicht ganz klar, daß damit auch der Name für die neue Praxis geboren war. Als dann der Begriff „Sprachpuzzle“ fiel und ich noch näher darüber nachdachte, was Sprache und Sprechen eigentlich bedeutet (nämlich das Zusammensetzen vieler einzelner Teilchen, genau wie in einem Puzzle), war mir klar, daß es für mich keinen treffenderen Begriff geben konnte.

MA: warum machst du als erstes immer dieses „Puzzle“?

Stephan Echtermeyer:
Der Grund für diese Art Puzzle, liegt darin, dass ich Kinder im ersten Kontakt nicht gleich mit standardisierten Testverfahren „erschrecken“ möchte. Nach fast zehnjähriger Berufserfahrung und etwa 15000 Therapieeinheiten, reicht mir dieses kleine und kurze Erstkontaktspiel aus, um festlegen zu können, ob ein Kind eine logopädische Behandlung benötigt. Die Suche nach den Ursachen einer Spracherwerbsstörung beginne ich nach dem erfolgreichen Vertrauensaufbau.

Ma: Warum bist du Logopäde geworden?

Stephan Echtermeyer:
Wenn ich jetzt sage: „Das war ein Zufall.“, dann ist es einerseits die Wahrheit, andererseits glaube ich nicht an Zufälle. Es hat sich so ergeben, wie sich alle meine beruflichen Schritte ergeben haben:
Nach der Schule wollte ich zunächst zur Polizei, die wollte mich aber nicht – also musste etwas anderes gefunden werden. In unserer Region, sah es schon damals nicht gut mit Stellenangeboten aus. Meine Mutter las zu-fällig, daß im Kreiskrankenhaus Bad Hersfeld ein neuer Ausbildungsgang Krankenpflege beginnen sollte. Also, Bewerbung geschrieben, abgegeben, Aufnahmetest durchlaufen, Ausbildung begonnen.
Was da alles auf mich zukam, konnte ich mit meinen siebzehn Jahren kaum oder gar nicht beurteilen. Nach vier Wochen langweiligem Blockunterricht, ging es endlich los auf die Menschheit. Auch da wieder ein Zu-fall: ein älterer Herr war inkontinent – die klassische Aufgabe für jeden Krankenpflegeschüler. Der Mann war schwer krebskrank und hatte eine äußerst schlechte Prognose. Dieser Mann war trotz seiner schlimmen Lage ganz besonders freundlich und liebevoll – er hatte eine wunderbare Art umzugehen mit seiner Krankheit, mit seiner Familie, mit uns Pflegekräften und mit dem Leben – mit allem was dazu gehört!
Ich glaube, sehr vieles für meinen Beruf von genau diesem Patienten gelernt zu haben!
Nach der Ausbildung habe ich dann zwei Jahre im Bereich Urologie und Frauenheilkunde gearbeitet, dann trieb es mich irgendwie weiter – damals war mir noch nicht klar, warum. Ich habe dann eine Stelle auf einer Intensivstation in Fulda angenommen und bereits nach zwei Wochen gedacht, daß ich diese Apparate würde nie verstehen können – deshalb habe ich gekündigt und bin nach einigen fachlichen Zwischenstationen an der Uniklinik in Würzburg gelandet. Dort begann ich mit der Fachweiterbildung für Anästhesie und Intensivmedizin. Dort habe ich sehr gerne gearbeitet, aber ich bin auch zur Erkenntnis gekommen, daß im Pflegeberuf Weiterentwicklung m. E. unmöglich ist, da sich alles an hierarchischen Strukturen orientiert. Selten gibt es dort die Möglichkeit eigene Kräfte und besondere anwendungsspezifische und personengebundene Fähigkeiten zu nutzen. Ich will damit keinesfalls den Pflegeberuf per se oder gar die Pflegenden beurteilen. Alle diese PflegerInnen leisten großartige Arbeit – nur konnte ich irgendwann nicht mehr damit richtig umgehen. Nachdem ich das begriffen hatte, suchte ich nach neuen Horizonten.
Meine Mutter gab mir auch hier wieder den entscheidenden Hinweis – das war Anfang 1992: Ich fokussierte erst jetzt meine wahre Berufung, die LOGOPÄDIE!

MA: Einer Deiner Schwerpunkte ist die Arbeit nach dem Konzept von Castillo Morales, was beinhaltet dieser Ansatz und für welche Patienten ist er geeignet?

Stephan Echtermeyer:
Häufig wird dieser Therapieansatz zu flach nur in Verbindung mit Stimulationstechniken dargestellt. Für mich persönlich geht dieses Konzept weit darüber hinaus:
Es hat sehr viel mit innerer und äusserer Haltung einer jeden Person zu tun, …mit Respekt vor den Menschen, Respekt vor der Umwelt und Achtung vor der Natur – kurz gesagt: mit „Respekt vor der Andersartigkeit“.
Heute ist das „Konzept Castillo Morales“ sehr eng mit Kommunikation im weitesten Sinne verknüpft. Was mich besonders daran fasziniert, ist die weltweite Weiterentwicklung des Konzepts, das vor allem aus Erfahrung und Beobachtung besteht. Ursprünglich ist dieses Konzept zur Behandlung „hypotoner“ Personen (wie z.b. Personen mit Down-Syndrom) entwickelt worden, es entwickelt sich ständig weiter und dient der Rehabilitation neurologisch erkrankter Personen. Für mich ist der wichtigste Konzeptinhalt die Kommunikation und die mitfühlende Menschlichkeit.
Mit dem „Konzept Castillo Morales“ bin ich erstmals 1997 in Berührung gekommen. Zu dieser Zeit war ich am Frühförderzentrum in Bad Hersfeld und hatte erstmals mit mehrfachbehinderten Logopädiepatienten Kontakt (…mit Patienten, die völlig sprachlos waren, …mit solchen, die Probleme mit dem Essen und Trinken hatten, etc.) dort habe ich deutlich gespürt, daß die logopädische Grundausbildung nicht ausreicht, um diese Menschen nachhaltig zu fördern.
Wieder durch Zu-Fall las ich von einem Termin für einen Einführungskurs in das „Konzept Castillo Morales“. Mein damaliger Chef, Herr Dr. Diab (Chefarzt der Kinderklinik am Kreiskrankenhaus Bad Hersfeld), dem ich insbesondere hinsichtlich der Fortbildungen Vieles verdanke, hat meinem Wunsch entsprochen und mir die Teilnahme an dieser Fortbildung ermöglicht. Ich war dann für drei Tage in Mülheim a.d. Ruhr, bei Jörg R. Prüss einem Physiotherapeuten zu einer Einführung. Herr Prüss führt heute das einzige Castillo Morales Zentrum in Deutschland. Mir hat sehr sein individueller Umgang mit den Patienten gefallen.
Damals habe ich erstmals gesehen, dass es auch für die sogenannten „hoffnungslosen Fälle“ tatsächlich Hoffnung gibt!
Mich hat diese Art des Umgangs mit den Patienten irgendwie im Herzen angesprochen. Ein Jahr später war ich auf einem Kongress im Allgäu, ich hatte mich natürlich für einen Vortrag von Herrn Castillo Morales eingetragen. Meinen schönen Sitzplatz habe ich ebenfalls zu-fällig erhalten. Ein mir unbekannter Mann – Castillo Morales, wie sich später herausstellte – betrat den Raum: Schwarzer Anzug, weißes Hemd, Krawatte… und Clogs! Er setzte sich genau einen Platz hinter mich. Da ich Herrn Morales nie zuvor – weder auf Bildern, noch persönlich – gesehen hatte, saß er tatsächlich eine Zeitlang incognito hinter mir. Als er sich räuspern musste, erinnere ich mich noch genau, daß mir ein Schauer über den Rücken lief, einer von der Art, der keine Angst, sondern Neugier weckt. In der Pause standen wir nebeneinander vor der Tür. Ich wusste immer noch nicht, wer das war und wir sprachen auch kein Wort – aber… wir kommunizierten. Etwa zehn Minuten später war der Vortrag: Sehr junge Eltern mit einem schwerbehinderten Kind, betraten den Raum, 150 oder mehr neugierige Augenpaare auf sie gerichtet. Sie setzten sich mit Castillo Morales auf eine Matte auf den Boden und meine Wahrnehmung war, daß diese Matte plötzlich zu einer Insel wurde und nur noch den Eltern, dem Kind und Castillo Morales gehörten. Es war absolut still im Raum. Unter diesen nahezu öffentlichen Bedingungen fand er einen sehr guten Zugang zu Eltern und Kind. Das hat mich äusserst stark beeindruckt. Frau Evita Diehl hat diese Untersuchung übersetzt und auch sie hat für mich, wie übrigens alle Castillo Morales Therapeuten, etwas besonderes – Etwas, das man nur schwer in Worte fassen kann. Das Konzept Castillo Morales kann nicht wirklich schnell, geschweige denn kurz beschrieben werden. Ich arbeite gerne damit und ich arbeite gerne mit den Kindern und Erwachsenen, die durch die Anwendung des Konzeptes profitieren.

MA: Du arbeitest auch mit der Unterstützung eines Therapiehundes, welche Zielsetzung steht dahinter?

Stephan Echtermeyer: Auf der Suche nach einer neuen Fortbildungsmöglichkeit las ich im Internet von der „Steinfurter Therapiebegleithund-Methode“. Nach einigen sehr netten Telefonaten habe ich mich zum Einführungskurs angemeldet. Dort waren viele nette Leute – eine sehr harmonische Fortbildung! Dort fühlte ich mich „aufgehoben“. Also dachte ich: „Wenn es so ist, dann muss da etwas dran sein.“
Ich suchte den Hund speziell aus und machte die Ausbildung mit ihm. Ein Hund kann vieles, was wir Menschen nicht können: Er beurteilt nicht, verurteilt nicht und…er ist immer ehrlich und direkt in seinen Reaktionen. Er ist Partner und Freund. Diese Eigenschaften sind vor allem in der Arbeit mit behinderten Menschen und hyperaktiven oder sprachauffälligen Kindern unersetzlich. Er reagiert instinktiv richtig, versteht die Körpersprache, achtet nicht auf irgendwelche Lautfehlbildungen. Er versteht Dinge, die uns Menschen unverständlich scheinen.
Im Verlauf meiner Arbeit mit Patient und Hund, habe ich häufig festgestellt, dass es nicht unbedingt eine kostspielige Delphin-Therapie – die ich sehr sinnvoll und interessant finde – sein muss, sondern, daß auch Hund, Pferd oder andere heimische Tiere sehr gut zur Therapie einsetzbar sind.
Es werden dabei Energien gebündelt oder freigesetzt, um Konzentration und Vertrauen zu schaffen.
Nehmen wir z.B. ein hyperaktives Kind: den ganzen Tag erfährt es Vorwürfe: „…tobe nicht so herum, …sei leise…, …mach doch nicht immer alles kaputt…“ usw. usw., woher oder wie, sollen diese Kinder ein positives Bild von sich entwickeln? Hier setzt die „Steinfurter Therapiebegleithund-Methode“ an. Diese Methode kann für den Patienten die Befreiung aus einem Teufelskreis bedeuten.

MA: Wie haben sich Deine Schwerpunkte entwickelt?

Stephan Echtermeyer:
Endlich eine Frage, die ich kurz beantworten kann: Meine Schwerpunkte entwickelten sich „zu-fällig“!

MA: Welche Rolle spielt deine Familie bei Deiner Tätigkeit?

Stephan Echtermeyer:
Eine sehr grosse Rolle…: Ich habe zwei wunderbare Kinder und eine starke Frau. Wenn sie mich in den letzten Jahren nicht so unterstützt hätte, wäre vieles nicht möglich gewesen. Durch zahlreiche Fortbildungen bin ich häufig nicht präsent und da ist immer jemand da, der mir den Rücken frei hält. Von hier aus ein herzliches Danke!!!

MA: Warum hast du den Standort Fulda für deine Praxis gewählt?

Stephan Echtermeyer:
Es war umgekehrt (lacht), Fulda hat MICH gewählt …nein, jetzt mal im Ernst, das hat sich so ergeben: an meinem damaligen Arbeitsplatz gab es eine Rückentwicklung in Richtung „hierarchischer Struktur“. Damit wollte ich mich keinesfalls abfinden, zumal ich gerade nach Ende des ersten Kursteiles des Castillo Morales Konzeptes eine eigene Veränderung durchlebte. Fast wie vom Himmel fiel da das Angebot, eine bestehende Praxis in Fulda zu übernehmen, also habe ich nicht gezögert und einfach angefangen. Ich hab hier sehr viele nette und interessante Personen kennen lernen dürfen und fühle mich hier sehr wohl!

MA: Letzte Frage: „Was wünschst du dir für deine neue Praxis und das Team?

Stephan Echtermeyer:
Vor allem wünsche ich mir, dass Mitarbeiter und Patienten sich dort wohl fühlen und gerne dort sind, um zu Arbeiten, zur Therapie oder einfach auch nur mal so. Ich möchte, dass dort ein Ort ist, an dem wir alle ehrlich und mit Respekt miteinander umgehen und dass wir weiterhin miteinander ein stabiles Team bleiben. Nicht zuletzt wünsche ich, dass uns die Reformen welcher Regierung auch immer uns nicht „kaputtsparen“ und dass es auch weiterhin für alle Menschen ein Recht auf Kommunikation und Anerkennung geben wird…!

MA: Danke für das Gespräch